Einführung Yvonne Türler
Die Bilder von RitaMayaKaufmann sind vielschichtige Malerei, Öl auf Leinwand oder Sperrholz. Die Farbe wird in mehreren Durchgängen aufgetragen, zuerst mit dem Pinsel, dann mit dem Spachtel. Dabei geht die Künstlerin bewusst äusserst sparsam mit der Farbe um. Dünn wird sie auf- und mit dem Spachtel gleich wieder abgetragen. Schicht für Schicht bleiben so Spuren zurück, die sich mit der Zeit zu Strukturen verdichten, bis das gemalte Bild schliesslich jener inneren Vorstellung der Künstlerin entspricht, die Inspirationsquelle, Motivation und Ausgangspunkt für die Arbeit gewesen ist. Manchmal sind es Erinnerungen an Naturerlebnisse, persönliche Zeitspuren also, die sie malend festhalten möchte. Aber auch eine kühle Hausfassade oder eine x-beliebige Oberflächenbeschaffenheit eines Gegenstandes kann Auslöser für ein Bild sein, wenn dadurch RitaMayaKaufmanns ästhetisches Empfinden in Schwingung gebracht wird.. Manchmal sind es aber auch diffuse Träume oder Sehnsüchte, die vielleicht zuerst gemalt werden müssen, bevor sie verwirklicht oder gelebt werden können - visionäre Zeitspuren sozusagen.
Im Wort „Geschichte“ ist der Begriff „Schicht“ enthalten, und es passt vorzüglich zu meinen Gedanken, dass „Geschichte“ gemäss etymologischem Wörterbuch im Mittelalter auch „Folge der Ereignisse“ meint. Auch die verschiedenen Farbaufträge in den Bildern von RitaMayaKaufmann sind „Folgen von Ereignissen“, Farbschichten, die zu Geschichte werden. Einer Geschichte, die auf den Entstehungsprozess verweist und im Sinne der eingangs erwähnten Überlegungen die Spuren des Werdens nachzeichnet.
Durch die verschiedenen Farbschichten werden Strukturen heraus gebildet, die beim Betrachter vielfältige Assoziationen wach rufen. Bei früheren Werken, in welchen sich oft Konturen von Kreisen oder Kreissegmenten herauskristallisieren, denkt man vielleicht spontan an japanische Fächer, an eine aufgeschnittene Zitrone, an Stofffalten, zerknittertes Pergament oder an aufgesägte Baumstämme, bei denen man Andeutungen an Jahrringe – welche ihrerseits natürlich ebenfalls ein eindrückliches Bild für Zeitspuren abgeben - zu erkennen meint. Und nicht zuletzt denkt man beim Betrachten gewisser Bilder unter anderem auch an hauchdünne Schmetterlingsflügel, welche auf Gemälden des 17. Jahrhunderts als gängiges Vergänglichkeitssymbol interpretiert werden und dementsprechend mit der Zeit, respektive mit dem Vergehen der Zeit, in Verbindung gebracht werden.
Um den Betrachter in der Assoziationsfreiheit möglichst nicht einzuschränken, weisen die Bilder von RitaMayaKaufmann sehr oft gar keine Titel oder aber sehr weit gefasste Titel auf. Es sind keine eindeutig definierten Begriffe, die dazu verleiten könnten, ein Bild auf die Umsetzung einer einzigen Bedeutung zu reduzieren, sondern Bezeichnungen, für die es keine geläufigen, allgemeingültigen Bilder gibt. Wohl nicht zufällig findet man darunter auch immer wieder Wortschöpfungen, die das Wort „Zeit“ enthalten: „Zeitscheiben“, „VorderZeit“, „Schattenzeit“ sind nur einige Beispiele dafür. Diese Begriffe können vom Betrachter in den Farben und Formen, respektive in der damit verbundenen Bildstimmung aufgespürt werden, sofern sie sich mit selber Erlebtem und daraus resultierenden Empfindungen, also mit eigenen Zeitspuren kreuzen.
Bei den neuesten Werken findet man weniger runde Formen. Die in sich selber drehenden Kreisringe haben sich geöffnet und gestreckt, sie sind zu weiten, hellen Flächen geworden, durch die man die Gedanken schweifen lassen kann. Verschiedene Ebenen werden übereinander gelagert, so dass ein Vorne und ein Hinten, also eine Raumtiefe entsteht. Diese Bilder wecken Assoziationen an Theaterbühnen oder - durch die Strukturen der Spachteltechnik betont - oft auch an Vorhänge. Das verleiht den Bildern etwas Geheimnisvolles, das durch Titel wie „Hidden Space“ oder „Fata Morgana“ unterstrichen wird. Imaginäre Landschaften, Stimmungs- oder Seelenlandschaften eben, bilden sich heraus und fordern auf, um in die Bilder einzutauchen und auf Zeitspurensuche zu gehen.
Yvonne Türler-Kürsteiner
Master of Art 10.01.2009